Leben ohne Strafe, Stress und Druck
Pacco ist ein ängstlicher Hund, der auf alles reagiert, was sich bewegt.
Wir mussten uns oft anhören, dass ein ängstlicher Hund nicht knurrt und dass uns unser Hund nur auf Nase rumtanzt und wir ihm zeigen müssen, wer der Chef ist.
Wir haben uns aber dafür entschlossen, seine Angst ernst zu nehmen und daran zu arbeiten. Ohne Strafe, ohne Stress und ohne Druck.

5 Monate alt ohne jede Sozialisation
Wir haben Pacco mit 5 Monaten von einem Tierschutzverein übernommen. In seinen ersten Lebensmonaten wurde er nicht sozialisiert und hat so auch keine guten Erfahrungen sammeln dürfen.
Unsere Fellnase ist jetzt 20 Monate alt und charakterlich freundlich, aufgeweckt, lernbegierig, ausdauernd, anhänglich, sensibel, harmoniebedürftig, aber eben auch ungeduldig, ängstlich und misstrauisch Fremden gegenüber.
Spießrutenlauf
Noch vor 10 Monaten waren Spaziergänge ein Spießrutenlauf, weil Pacco angstaggressiv auf alles reagierte, was sich bewegt hat. Es hätte nicht mehr viel gefehlt und er hätte gebissen.
Dabei war es ganz egal, ob die Angstobjekte 10 oder 400 Meter entfernt waren. Pacco ist jedes Mal ausgerastet. Und dann hat er durchaus auch 20-30 Minuten durchgebellt. Er hat sich in die Angstaggression reingesteigert und keinen Weg mehr raus gefunden.
Es wurde immer schlimmer
Wir dachten anfangs, das sei einfach eine Phase und haben das Verhalten ignoriert. Das brachte aber nicht den erwünschten Erfolg. Ganz im Gegenteil: es wurde immer schlimmer.
Umdenken
Als Pacco 11 Monate alt war, haben wir angefangen, das Verhalten auf positive Weise umzulenken und jedes nicht negative Verhalten zu bestätigen.
Das sah in der Praxis so aus, dass alles bestätigt wurde, was kein Knurren und Bellen war. Hat er kurz vom Angstobjekt weggeschaut, gab‘s eine Bestätigung.
Im weiteren Training wurde er dann bestätigt, wenn er jemanden erblickt hat.

Aktive Wahrnehmung
Wir haben mit aktiver Wahrnehmung der Angstobjekte trainiert, ohne ihn von den Angstobjekten abzulenken (nur in Notfallsituationen haben wir ihn abgelenkt, damit die Situation ruhig verläuft).
Dadurch zeigt er heute kein Meideverhalten und erschrickt auch nicht, wenn plötzlich jemand vor ihm steht. Er ist aktiv an seiner Umwelt interessiert und nimmt auch mit fremden Personen Kontakt auf. Dabei zeigt er deeskalierendes Verhalten und ist nicht mehr aggressiv.
Management
Zeitgleich haben wir viele negative Stressfaktoren beseitigt. Es gab keine Stadtbesuche mehr, er wurde nicht ins Restaurant mitgenommen und musste nicht mehr Zug fahren.
Management war das A und O und jeder Spaziergang wurde zum Training.
Stressbilanz
Wir haben jeden Tag aufs Neue überlegt, welchen Stressfaktoren Pacco am Vortag ausgesetzt war und die Trainingseinheiten entsprechend eingeteilt.
War ein Tag sehr stressig, haben wir am Folgetags so gut wie nichts in dieser Richtung gemacht.
Erfolgsstory
Die Erfolge haben sich relativ schnell eingestellt. Nach 3 Monaten konnten wir mit dem „Erzfeind“, dem Hundetrainer, spazieren gehen und uns dabei unterhalten. Spaziergänge sind nun, im Gegensatz zu früher, fast schon „langweilig“.
Lernerfolg beim Hund
So hat Pacco gelernt, dass sich positives Verhalten lohnt, und die Angstobjekte gar nicht so furchtbar sind. Und er hat erfahren, dass seine Kommunikation (Bellen und Knurren) ernst genommen und er nicht dafür bestraft wird.
Buchempfehlungen zum Thema
Sabrina Reichel, Leinenrambo: Positiv trainieren- entspannt spazieren
Falconer-Taylor, Robert et al.: Emotionen einschätzen, Hunde verstehen
Ich hatte keine Ahnung, dass Pacco so eine heftige „Baustelle“ war … Wenn man ihn jetzt kennt … Wahnsinn was ihr geschafft habt, Chapeau!!
Das macht Mut, dabei zubleiben. Danke
Nachdem ich ja von Pacco auch schon heftigst verbellt wurde, kann ich nur sagen: Hut ab an Sabine und Sascha, das klingt schon echt toll und das habt ihr ganz wunderbar gemacht! 🙂 Ich bin mir 100% sicher, dass dieser Hund, wäre er nicht in so verständnisvolle und so unendlich geduldige Hände gekommen, heute ganz sicher anders aussehen würde!
Klasse!!!!
toll!!!
Ich erinnere mich genau an solche Situationen- heute, fast 3 Jahre später, haben wir immer noch Baustellen, aber vieles ist um vieles leichter geworden. Ich freue mich jeden Tag über klitzekleine Erfolge und bin ein großer Fan von „Positiver Verstarkung“.
Danke Petra 🙂
Der Pacco hat so ein Glück, dass er bei Euch gelandet ist!!! <3
Inwiefern habt ihr das denn gemacht, das Bellen/Knurren ernst zu nehmen in der Situation? Indem man sich dann entfernt, weil der Hund zeigt, dass er Distanz braucht?
wundervoll
Wow, herzlichen Glückwunsch zu eurem Erfolg, es freut mich dass ihr auf postitivem Weg so tolle Fortschritte machen konntet.
Könnt ihr denn mittlerweile mit ihm in die Stadt gehen oder ihn in ein Restaurant mitnehmen? Wenn ja, wie genau seid ihr vorgegangen ihn dahingehen zu desensibilisieren?
Meine Lola hat ganz ähnliche Peobleme und mit Stadt und zu vielen Leuten ist sie schnell überfordert. Ich habe angefangen ganz langsam am Stadtrand in menschen- und KFZ-armen Gegenden zu trainieren, aber sie ist dermaßen gestresst, dass sie sich kein bisschen auf mich konzentrieren kann. Sie ist eig leinenführig aber wenn sie sich wo nicht auskennt dann zieht sie wie ne Bekloppte und ist kaum ansprechbar. Wenn ich stehen bleibe damit wir uns in Ruhe alles erstmal anschauen können, wird sie hibbelig und unruhig, fiept und jault mich an. Sie kann diese Ruhe, das Stehenbleiben auch nicht aushalten.
Wir trainieren seit fast einem Jahr tsd-konform, aber irgendwie lassen die großen Erfolge auf sich warten… Vielleicht hast du ja einen Tip oder eine Trainingsempfehlung, wie wir voran kommen können in unserem Training.
Danke schon mal und lg,
Yvonne