- Für das Leben lernen wir
- Komische Signale – hilfe, ich trau mich nicht
- Entdecke die Langsamkeit
Wenn du mit deinem Hund in eine schwierige Situation gerätst, hast du mehrere Möglichkeiten: Augen zu und durch oder die Entdeckung der Langsamkeit
Augen zu und durch?
Wenn du z.B. auf einem engen Weg ohne Ausweichmöglichkeit zu dicht an einem anderen Hund vorbei muss, kannst du einfach die Leine kurz nehmen, und deinen Hund möglichst schnell am „Gegner“ vorbeiführen“. Leider lernt der Hund mit der „Augen zu und durch„-Methode, dass du keine Rücksicht auf seine Befindlichkeiten und Bedürfnisse nimmst…
Du kannst auch versuchen, deinen Hund so gut wie möglich abzulenken, damit er den „Gegner“ möglichst gar nicht bemerkt. Doch wenn er den Gegner erst entdeckt, wenn dieser zu nah gekommen ist, fängt er an zu bellen oder in die Leine zu springen.
Entdecke die Langsamkeit!
„Wer sichere Schritte tun will, muss sie langsam tun.“ (J.W. v. Goethe)
Sicheren Fortschritt beim Lernen erzielst du auch am Besten, wenn du viele kleine sichere Schritte machst. Das meine ich nicht nur im übertragenen Sinn, sondern auch gerade in schwierigen Situationen im Alltag:
Wenn er nicht einen Schritt an lockerer Leine gehen kann, bleib stehen!
An lockerer Leine zu gehen ist schon ohne Ablenkung schwierig für viele Hunde, weil sie dafür kein „angeborenes Programm“ haben, und sich voll auf etwas für sie „abwegiges“ konzentrieren sollen. Wieviel schwieriger muss es für sie sein, wenn sie es in Anwesenheit von Angstauslösern (z.B. anderen Hunden, Menschen, u.a.) leisten sollen? Wenn dein Hund in einer Begegnungssituation keinen einzigen Schritt an lockerer Leine hinbekommt, bleib stehen! Click deinen Hund für
- ruhiges stehen oder sitzen
- anschauen des Auslösers
- dich anschauen
- jedes Alternativverhalten, dass er in der Situation kann (z.B. Handtarget, Pfote auf deinen Schuh tapsen, etc.)
- alles was nicht bellen oder in die Leine springen ist
Halte die Belohnungsfrequenz hoch und verwende hochwertige Belohnungen. In diesem Fall hilft viel tatsächlich mal viel, denn dein Hund soll lernen, dass „Anwesenheit von Auslösereizen“ großartiges ist. Du darfst ohne Pause clicken-belohnen! Wenn dein Hund in der Situation Futter vom Boden aufnehmen kann, darfst du sogar schneller clicken-belohnen, als er fressen kann – mach ein Clickerfeuerwerk. Natürlich bleibst du nicht auf diesem Trainingslevel, aber es öffnet dir die Tür zu weiteren Fortschritten!
Wenn er nach zwei Schritten wieder in der Leine hängt, mach nur einen, markiere und belohne!
Wenn „stehen“ oder „sitzen“ klappt, auch nachdem du angefangen hast, die Belohnungsfrequenz ein wenig zu senken, kannst du probieren, ob ihr einen gemeinsamen Schritt gehen könnt. Dazu clickst du am Besten während du diesen einen Schritt machst und hast auch schon die Belohnung in der Hand, damit der Hund gar nicht erst dazu kommt, alleine weiter zu marschieren und dann ins Leinenende zu laufen. Die richtige Reihenfolge ist: Einen Schritt machen und gleichzeitig clicken, stehenbleiben und dann belohnen.
Wenn dieser eine Schritt schon ziemlich aufregend für ihn war, bleibst du etwas länger stehen und übst wieder „ruhig stehen/sitzen“ des ersten Trainingslevels. Wenn sich der Hund wieder entspannt hat, machst du den nächsten Schritt. Diese Methode eignet sich gut für „Stationäre Auslöser“ – z.B. Gegenstände, die der Hund gefährlich findet, oder „bellende Gartenzäune“ – ihr müsst daran vorbei, weil die sich ja nicht wegbewegen können, aber ihr könnt das Tempo bestimmen. Übrigens beruhigen sich „bellende Zäune“ erstaunlich häufig, wenn man sich auf diese Art vorbei bewegt. Vielleicht weil dein Hund sich offensichtlich mit dir beschäftigt und damit weniger bedrohlich auf die Beller hinter dem Zaun wirken.
Manchmal fangen die zum bellenden Zaun gehörigen Menschen an zu schimpfen. Das muss dich aber nicht kümmern. Du bist nur für deinen Hund, sein Verhalten und seine Bedürfnisse verantwortlich – dass die anderen Hunde bellen, ist nicht deine Schuld sondern die von deren Herrchen!
Wenn er nicht zügig an lockerer Leine gehen kann, geh langsam!
Du hast fleißig „einen Schritt – click – belohnen“ geübt? Dann kannst du die Strecke schrittweise ausbauen. Clicke erst den zweiten Schritt. Wechsle ruhig oft zwischen „ein Schritt“ und „zwei Schritte“ hin und her. Gehe erst zu „drei Schritte“ über, wenn euch zwei wirklich leicht „vom Fuß“ gehen. Wenn drei Schritte gut funktionieren, kannst du versuchen, ob dein Hund auch im Gehen essen kann: zwei Schritte gehen, beim dritten clicken, beim vierten belohnen – und schon habt ihr vier Schritte gemeinsam gemacht.
Wie geht es weiter?
Im nächsten Artikel dieser Serie beschäftigen wir uns damit, wie man auf diesem Trainingsstand aufbaut.
Viel Spaß bis dahin beim Entdecken der Langsamkeit!
PS: Den Titel dieses Artikels habe ich dem Buch „Die Entdeckung der Langsamkeit von Sten Nadolny entlehnt – ich habe es noch nicht gelesen, aber es soll gut sein.
Toller Artikel, danke Martina Schoppe! :-*
määäärci 🙂
Toller Artikel! Auch ich sage DANKE 😀
Andrea
Toll geschrieben – danke ☺
Danke
Wenn man immer nur so besonnen wäre … toller Artikel!
Ich habe einen Lehrmeister, der mich sehr oft daran erinnert, dass langsamer sehr viel besser ist als schneller 😉
Und ich mache bei Kundenhunden oft die gleiche Erfahrung. Leider ist der Reflex bei den Zweibeinern halt oft „Schnell durch, dann ist es schneller vorbei!“ für DIE Situation stimmt das ja auch – nur leider verbessert sich langftristig nichts, oder es wird gar schlimmer
Sehr wahr 🙂 Noch schöner wäre es, wenn diejenigen, die einem in so einer Situation entgegen kommen, dies auch manchmal beherzigen könnten und einem einen Moment Zeit lassen, bis man sich auf einem engen Bürgersteig etwas besser positioniert hat (vor allem, wenn sie um die Problematik wissen). Oder wenn Hund doch mal in die Leine geht, man den Moment abwartet, bis Hund wieder ruhiger und ansprechbar ist.
Nichtsdestotrotz machte Hund deutlich mehr Fortschritte, als ich begann uns mehr Zeit zu lassen. Nicht nur in brenzligen Situationen, sondern auch „einfach mal so“ pausieren.
das stimmt, aber leider denken nicht alle mit. Aber ich denke, je bekannter positives Training wird, desto mehr Rücksichtnahme wird es dann auch geben.
Ansonsten hilft es, wenn man seine Umgebung möglichst genau beobachtet, und für seine Strecken möglichst viele „Nothaltebuchten“ kennt, in die man sich rechtzeitig zurückziehen kann. Wenn man auch ungefähr weiß, wer mit welchem Hund wohnt (zumindest die grobe richtung) kann besser vorhersagen, wohin die vermutlich weiter gehen werden und in welche Richtung man selber am besten ausweichen kann. Das ist natürlich auf dem Dorf einfacher als in der Stadt..
Wir haben hier auch einen Hunderunde-Notfallplan, aber hier in der Stadt braucht man manchmal eine Sekunde länger zum Ausweichen, wenn die Straße gerade befahren ist etc. / Aber grundsätzlich geht das genauso gut wie auf dem Land. Vielleicht sogar besser – reichlich parkende Autos, Hauseingänge, Werbeschilder (die schotten auch gut ab, um kurz verschnaufen zu können); und wenn man dann mit der Zeit seine Umgebung kennenlernt gibt es zahlreiche „Ruheinseln“. Wir haben hier ungefähr 4 derzeit auf der Runde, die Hund dann auch von alleine ansteuert, wenn an einem Tag zu viel los ist. Es zeigt also durchaus seine Wirkung, wenn man mal 10 min an einem Platz verbringt, wo dann keine Hunde/Menschen/Autos sind.
Leider ist seit über einer Woche auf seinem Lieblingsplatz alles mit Glas übersäht. Da das normalerweise innerhalb weniger Tage weg sein müsste, wird man es wohl mit Absicht gemacht haben 🙁 Sehr schade; bisher der einzige Ort, an dem Hund Lust auf Dummytraining hat (da keine Ablenkung).
Also, der letzte Absatz gefällt mir nicht, aber die „Notfallbuchten-Ideen sind super 🙂
Gibt da wirklich einige Möglichkeiten 🙂 Vielleicht solltet ihr da auch mal einen Artikel drüber schreiben. Ich musste doch einige Male hören, dass positives Training „so ja gar nicht umsetzbar“ wäre, da man in einer Stadt lebe. Ich brauchte zwar auch eine Weile, bis die Fleckchen gefunden waren, aber seitdem sind die Runden viel entspannter. Und ich wohne derzeit in der Kölner Innenstadt 😀
ist schon in Planung 😀
ich mach mal Fotos 😀
Ich finde es teilweise schwer zu erkennen, wie hoch die Erregung schon ist. Ist der Hund schon erregt und man füttert ihn, wird das Füttern ja mit Erregung verknüpft. Ich denke, wenn das manchmal passiert ist es nicht schlimm, zu oft schon.
Deswegen ist es für den Alltag enorm wichtig, gerade, wenn Reize entgegenkommen, sofort ein Alternativverhalten ( über die Strasse gehen, einen Bogen laufen, U-Turn….). Es ist in vielen Fällen ohne nicht möglich. Das verstehen viele Menschen nicht und denken: ja wie, soll ich jetzt immer ausweichen? Erst als ich das konsequent so gehandhabt habe, hat sich bei uns eine enorme Besserung eingestellt.
ja, das stimmt.
Aber es gibt halt Situationen, in denen das alles nicht geht, wo kein Platz für einen Bogen ist, oder man nicht kehrt machen kann, weil man auch böse Verfolger hat. Mir ist wichtig, dass Hundehalter auch für diese Situationen Lösungen kennen. In den meisten Fällen lassen sich „Mini-Kombinationen“ zusammenbasteln: „Ein-Schritt-Steh-Ein Schritt-Steh“ mit einem halbem Meter Bögelchen kombiniert, oder ein Notfall-Kehrt mit Verschwinden in eine Garageneinfahrt und da dann stehen und Z&B.
Dazu müssen Hund und Halter diese Einzelteilchen aber erstmal üben – am Besten einzeln!
Dementsprechend erkläre ich sie auch in einzelnen Artikeln, damit die Leser nicht von zu viel Info auf einmal erschlagen werden. 🙂
Ich sehe das so: Das Bewegen mit einem Leinenpöbler (jetzt nur als Beispiel, es gilt eigentlich für alle Hunde, die auf irgendeinen Reiz mit hochschiessender Erregung reagieren) im Alltag ist wie ein technisch anspruchsvoller Hochleistungssport – der will erstmal erlernt sein. Glücklicherweise hat dieser hochleistungssport die eine, leider oft übersehene Disziplin „Langsamkeit“ – und die ist für mich die Basis. Wenn ich das ganze nicht langsam kann, wie soll es dann in Bewegung funktionieren. Im Stehen kann mensch sich ganz viele Sachen vereinfachen, die im Gehen schon nicht mehr möglich sind – z.B. auf die Leine treten (oder die Leine an einem Zaun befestigen), damit er sich nicht losreissen kann. Dann hat mensch beide Hände frei, oder zumindest einen viel sichereren Stand und/oder kann sich Blockend zwischen Hund und „Gegner“ stellen. etc. Wer das mit einem hochreaktiven Hund, der mehr als 10 Kilo wiegt schon mal im Gehen versucht hat, weiß dass das schlicht nicht möglich ist.
Wenn man steht, braucht man sich nicht mehr darauf zu konzentrieren, wohin man denn läuft. Man kann besser seinen Hund im Auge behalten, man kann tatsächlich, wenn man sich rechtzeitig „gut aufgestellt“ hat, noch Alternativerhalten abfragen (Handtarget, Sitz…) und hochwertig belohnen, als wenn man vielleicht noch drei Schritte weiter geht, und der Hund dann nicht mehr aufnahmefähig ist.
Aber vor allem; wenn man steht, hat man, LÄNGER Zeit ÖFTER ruhiges Verhalten zu belohnen. Der Trick ist RECHTZEITIG stehen zu bleiben, und die Belohnungsfrequenz tatsächlich bis zum Anschlag hoch zu drehen.
Wenn der Abstand zu gering ist, und man der Situation NICHT ausweichen kann, kann man zwei Rechnungen aufmachen: Kaum Belohnungen in der Situation und wahrscheinlich große Explosion an der engsten Stelle. Oder: Viele, viele viele Belohnungen in der Situation und vielleicht eine Explosion an der engsten Stelle. Meiner Erfahrung nach bleibt bei der weiten Möglichkeit die Explosion erstaunlich oft aus, oder sie ist so schwach und/oder kurz, dass sie von den paar hundert Belohnungen zuvor locker ausgehebelt werden.
Wenn zudem der Auslösereiz ein anderer (entgegenkommender) Hund ist – was wirkt auf den wahrscheinlich beunruhigender: ein sitzender Hund, oder einer der schon auf entfernung die dicken Ps in den Augen hat, die besagen, „gleich raste ich aus, gleich kann ich nimmer…“?
oh, langer text. lese später.
Ein toller Artikel, Martina. Bei meinem Paniktier ist das momentan wirklich noch schwierig. Der dreht voll auf und wickelt dann in beliebiger Reihenfolge und Kombination Angstjaulen, Kreiseln, Weglaufen, nach vorne Gehen und Anbellen ab. Zusätzlich erschwerend kommt die dunkle Jahreszeit dazu, bei Dunkelheit steigert sich Herr Hundesirene gerne noch ein wenig. Ich bin ja schon einigermaßen schmerzbefreit, aber morgens um 6 oder abends um 21:30 mit einem mehrere Minuten lauthals kreischenden Hund in einem ansonsten ruhigen Stadteil spazieren zu gehen ist eine echte Herausforderung. Glücklicherweise bleibt Kira meist ruhig und lässt sich absetzen, sodass ich mich nur um den Intensivpatienten kümmern muss und Madame nur Futter zustecke für’s brav bleiben.
oh, das kenne ich vom Gandhi. Der hat nicht umsonst den Spitznamen Kreischsack aka Knallsack bekommen
. Glücklicherweise hat der im Garten nie irgendwas angekreischt (ausser wenn er von ausserhalb des Zauns angebellt wurde…). Wenn der zu unwirtlichen Zeiten raus musste, gabs dann halt Gartengassi.
Sehr schöner Artikel, Martina! Langsamkeit und Ruhe nehmen soviel Stress von Hund und Halter.
Ich mache oft die Erfahrung, dass es schon im grundsätzlichen Zeitmanagement vieler Hundehalter hapert. Da muss der Hund schnell noch raus bevor das Kind zur Schule muss/man selber zur Arbeit fährt/das Essen ausm Ofen muss etc.pp. Mit dem Stress und huschhusch kann es dann nur ins Auge gehen. Daher finde ich es sehr wichtig, sich von vornherein Zeit zu nehmen, sonst hat man sie nämlich nicht wenn man sie denn braucht.
YES!! Oder andersrum: wenn man weiß, man hat z.B. nur 30 Minuten Zeit, geht man halt nur eine Strecke für die man unter normalen Umständen 10 Minuten braucht. Dann kann man sich nämlich in schwierigen Situationen die benötigte Zeit auch nehmen.
auch da ist man klar im Vorteil, wenn man einen Garten hat und die Hundchen sich erst im Garten lösen können, bevor man loszieht. Oder man hält es wie Jean Donaldson: „Empty dogs play Frisbee“ – oder frei übersetzt. Der Gassigang steuert als aller erstes das „Klo“ an – und es geht erst weiter zum „Spaß-Teil“, wenn der Hund leer ist
Hm. Ich sehe schon. Der „Wie erhöhe ich die Kriterien“-Artikel muss in die Warteschleife. Ich muss erst zur Langsamkeit noch weiter ausholen.
zur Antwort auf Reginas Kommentar ist mir noch was eingefallen:
Ich denke, es ist für Halter außerdem einfacher, die Körpersprache ihres Hundes zu lesen, wenn Hund und Halter stationär sind. Steigerung der Erregung macht sich dann oft durch „mehr Bewegung“ bemerkbar (außer man hat einen Hund mit der Stategie „Freeze“). Das ist doch besser erkennbar, als wenn der Hund sich sowieso bewegt!
Beim Laufen ist der Hund bestenfalls neben dem Mensch, dann kann man ihn schlecht im Auge behalten, weil man ja auch gucken muss, wo man hin läuft. Wenn der Hund vor einem geht (ehr wahrscheinlich, rein vom Trainingsstand), kann man ihn nur von hinten sehen.
Stationär kann man sich und den Hund so plazieren, dass man den Hund und vielleicht sogar den „Gegner“ im Auge behalten kann – und dann braucht man „nur noch“ dafür zu sorgen, dass diese Plazierung (und ich meine jetzt nicht die Einhaltung einer befohlenen Körperhaltung, sondern die räumliche Anordnung von Halter, Hund und Gegner 😉 ) beibehalten wird.
Alles richtig.
Nur leider bin ich ein Typ, der gerne schnell und zügig unterwegs ist. Und manchmal könnte ich am Rad drehen, daß mein Hund mein normales Tempo als Hektik auffaßt. Leider muß ich in solchen Situationen dann mich selber clickern, um die Langsamkeit wieder aushalten zu können.